10 Jahre Pilotenvereinigung Wasserkuppe e.V.

Erinnerungen unseres Gründungsmitgliedes Klaus Harnach

Januar 1970 - 1. Januar 1980:

 

Wie schnell doch die Zeit vergeht! Da haben wir gestern - oder war es vorgestern? - zusammengesessen im sonst nie geöffneten Fluglehrer- oder Schulbüro gleich vorn rechts, wenn man in die Schule hereinkam und hatten noch einen dicken Kopf. Silvester 1969/1970 hatten wir nämlich in der Rhöngeistklause gefeiert, und das nicht zu knapp. Und jetzt saß da ein Fähnlein Unentwegter, die trotz Schnee und Nebel auf die Kuppe gekommen waren mit dem erklärten Ziel, nicht nur zusammen zu saufen, sondern auch eine Form zu finden, in der die vielen, vielen Urlaubssegelflieger, die Jahr für Jahr in die Rhön kamen, eine fliegerische Vereinsheimat finden könnten.

 

 

Mag sein, daß ich schon wieder am muntersten war, mag sein, daß Erwin Stieglitz mich besonders mochte, jedenfalls haben wir munter drauflos diskutiert und die Runde damit angesteckt. Unser aller Überlegung war, eine Vereinigung zu schaffen, in der sich jeder auch dann heimisch fühlen könne, wenn er nicht in der Rhön wohne. Jeder von uns kam 2, 3, 4 Wochen im Jahr auf die Kuppe und träumte die übrigen 11 Monate von Rhönlerche und Ka 8. Oh ja, an die Ka 6 getraute sich so recht niemand zu denken. Die war das Heiligtum der Schule und ich glaube vielmehr als das C-Abzeichen hatte damals niemand von uns.

 

Die Grundidee war schließlich einfach und hat die PV bis heute zusammengehalten. Nicht nur Flugzeuge waren vonnöten, sondern Information. Nicht billiger fliegen wollten wir, sondern die Schule nach Kräften ideell und nach Möglichkeit sogar materiell unterstützen. Nicht abkapseln wollten wir uns in einem eigenen Haufen, sondern die Werbetrommel für die Wasserkuppe rühren, wo immer wir konnten. Nicht meckern und herumstänkern wollten wir, sondern der Schulleitung und der Gesellschaft zur Förderung des Segelflugs auf der Wasserkuppe e.V. Vorschläge machen, wie man aus unserer Sicht, gewissermaßen aus der Sicht des Verbrauchers, manche Dinge noch anders organisieren könnte. Mithelfen wollten wir, der Wasserkuppe in Deutschland und im Ausland wieder den Platz zu geben, der ihr nach unserem Verständnis zustand. Damals konnte man landauf, landab hören: Wasserkuppe, ja kann man denn da überhaupt noch fliegen? Die liegt doch an der Zonengrenze - pardon, so war damals der Terminus - und da geht doch nichts mehr.

 

Wir wollten der Welt zeigen, daß die Kuppe mitnichten tot war, daß im Gegenteil ein recht munteres Wölkchen dort oben zu Hause war oder sich zumindest zu Hause fühlte. Das galt für unseren langen Herbert Schmid aus Sonthofen genauso wie für unsere fliegenden Pfarrer oder - aber halt!, jetzt müßte ich viele, viele Namen aus dem Süden und dem Norden und dem Westen Deutschlands nennen. Ja, und bald kamen auch Namen aus dem Osten dazu, Leute, die nicht bei uns fliegen und auch keine Beiträge zahlen konnten, und die trotzdem an die Wasserkuppe dachten. Auch für sie gaben wir damals unsere PV-Mitteilungen heraus, die schon bald nicht nur höheren Ortes in Bonn, sondern auch in Ostdeutschland, in Polen, in der UDSSR, in Ungarn, in Rumänien, in der CSSR, in den USA, in Südafrika, in Holland, England und was weiß ich sonst noch wo gelesen wurden.

 

PV-Mitteilungen, das war das Band, das uns alle zusammenhielt. Und weil ich so schön oft auf der Kuppe war und oft so schön viel wusste, gab man mir nicht nur den Auftrag, die PV zu organisieren und eine Satzung zu erarbeiten, sondern auch gleich einmal mit einem Mitteilungheft einen Versuch zu starten. 2 Mark wollten wir als Monatsbeitrag festsetzen, und davon hätte ich alles zu bezahlen.

 

Nun,  diese 2 Mark Monatsbeitrag sind genau 10 Jahre alt geworden, und wir haben dafür im Laufe der Jahre wirklich viel über und für die Wasserkuppe geschrieben. Wenn die jetzt beschlossenen 3 Mark für die nächsten 10 Jahre halten, soll es mir recht sein.

 

Die Satzung war natürlich eine Sache, die überlegt sein wollte. Und so setzten sich Claus Feller und ich eines schönen Abends in Bad Nenndorf zusammen und arbeiteten bis in die Nacht hinein mit heißen Köpfen daran herum. Gegen Mitternacht hatte der Claus seine Ruhe und ich meine Satzung, die ich den mittlerweile schon über 50 Mitgliedern vorlegen konnte.

 

Diese Satzung war anders als Vergleichbares, weil auch die Vereinigung anders als ein normaler Segelflugverein sein sollte. Da war zunächst das Problem des Stimmrechts und der vorgeschriebenen Jahreshauptversammlung. Bei den großen räumlichen Entfernungen konnte man es keinem Mitglied zumuten, nur der Hauptversammlung wegen auf die Kuppe zu kommen. Andererseits konnte man wegen kilometerabhängiger Abwesenheit auch nicht einfach das Stimmrecht streichen. Jeder sollte mit abstimmen können. Das gebot einfach unser demokratisches Selbstverständnis.

 

Ein anderes Problem war die Kommunikation untereinander. Wie sollte einer, der eine Idee hatte, die den anderen mitteilen? Und wo sollte der Verein seinen vom Gesetz verlangten Sitz haben, wo steuerlich veranlagt werden, wie postalisch erreichbar sein? Fragen über Fragen, die alle organisatorisch gelöst werden wollten.

 

Wir lösten sie mit viel persönlichem Engagement eines jeden Einzelnen der kleinen Truppe aus der Ersten Stunde. Es wurde beschlossen dass jedes Mitglied während des ganzen Jahres Anträge zur HV stellen könne, soviel es wolle, und zwar bis zu einem bestimmten Termin vor der Versammlung. Danach sollte nichts mehr gehen, so wie beim Roulette. Diese Anträge hatte der Vorstand zu sammeln und zu veröffentlichen, ebenfalls rechtzeitig vor der HV. Über alle Anträge hatte ein Stimmzettel beigefügt zu werden, den ein an der Teilnahme verhindertes Mitglied ebensogut per Post einsenden konnte. Während der Versammlung konnten - und können! - keine Anträge für diese Versammlung mehr gestellt werden, weil sonst die Abwesenden ja nicht mitstimmen können. Anträge aus der Versammlung heraus können nur für die nächste Versammlung gelten und müssen dann wieder allen Mitgliedern rechtzeitig vorher bekanntgegeben werden. Das System funktioniert, wie wir ausprobiert haben.

 

Für die Kommunikation war die Geschäftsstelle jederzeit hilfsbereit, und die PV-Mitteilungen bildeten ein geeignetes Forum. In ihnen erschienen dutzendweise Anregungen und Vorschläge, aber auch Anprangerungen von Missständen verschiedenster Art.

 

Nach und nach begann sich die Wasserkuppe zu verändern. Nicht, daß hier gesagt sein soll, wir wären die treibende Kraft gewesen. Dazu waren wir nicht einheimisch genug und wollten es auch gar nicht sein. Aber Manches von dem, was heute auf der Wasserkuppe ist oder auch nicht mehr ist, war schon vor vielen Jahren in den PV-Mitteilungen als Anregung, Wunsch oder auch Schelte zu lesen.

 

Schon ein halbes Jahr nach unserer Gründungsversammlung kam ein Großereignis auf die Wasserkuppe zu: 50 Jahre Rhönwettbewerb! Nun, wir haben eine ganze Menge beigesteuert, ein Riesenfeuerwerk zum Beispiel (Claus Feller) oder die Teilnahme von Neill Armstrong an den Feierlichkeiten (Helmut Dette). Der Besuch des ersten Menschen, der den Mond betrat, war damals 1 Jahr nach jenem Ereignis für Deutschland geradezu eine kleine Sensation. Mir hat dieser Besuch Kopfschmerzen und ein paar schlaflose Nächte gebracht, denn ich war für die Sicherheit und den präzisen Ablauf der Organisation auf der Kuppe für den Bereich Armstrong verantwortlich. Aber es hat Spaß gemacht, dem Helmut, unserem heutigen DAeC-Generalsekretär genauso wie mir.

 

Schon vorher hatte ich auf einer internationalen Großausstellung am Berliner Funkturm einen für uns kostenlosen Ausstellungsstand von gut 500 qm Größe von der Ausstellungsleitung „abgestaubt“. Dieser Stand gab der Rhön und damit der Kuppe Gelegenheit zur Selbstdarstellung, nur war das Problem, woher wir ein Ausstellungsflugzeug bekamen. Die Waku-Halle war total zugeschneit, und Schleichers wollten oder konnten keine Ka 13 nach Berlin schicken. Nun, Freunde aus der Akaflieg halfen uns selbstlos aus: Was die Rhön nicht konnte, managten ihre Freunde draußen im Land, ohne einen Pfennig dafür zu verlangen.

 

Und das war ja eine der Grundideen, dieses Eintreten aller Segelflieger für die Rhön, dieses ihr-helfen-wollen, weil es unser aller Berg ist wie kein zweiter Platz auf dieser Erde. Wieviel Hilfe und Begeisterung habe ich gefunden, wenn ich Segelfliegern unser Anliegen der Hilfe für die Wasserkuppe vortrug! Spenden kamen von überallher, Beitrittserklärungen wurden spontan abgegeben, Hilfe wurde angeboten. Im Nu hatten wir die größte Anzahl aktiver Mitglieder, und das brachte Probleme nach außen. Soviel Begeisterung war manch einem nicht geheuer.

 

Damals auch begann unser 2. Vorsitzender, der Helmut Dette hieß, alte Flugzeuge für ein zu errichtendes Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe zu sammeln. Nun, wir haben unlängst gerade erfahren, daß selbst die Bundeswehr ihr Scherflein in Form eines Geländestreifens zu diesem geplanten Segelflugmuseum beigetragen hat.

 

Zurück zu unserer Gründerversammlung. Von Anfang an haben wir beschlossen, uns gegenseitig beim Vornamen zu nennen, eine Idee, die beispielsweise der große Peter Riedel glänzend fand. Ich auch, denn auch fremde Fliegerkameraden sind gleich viel vertrauter, wenn man sich gegenseitig mit dem Segelflieger-Du anredet. Im Kreise der PV gab es nur zwei Persönlichkeiten, die ich aus Respekt niemals duzte: Hanna Reisch und Dr. Küttner. Da konnte ich nicht aus meiner Haut heraus, man möge mir verzeihen. Peter Riedel wäre um ein Haar der Dritte in dieser Gruppe gewesen, aber er war ständig so lebendig unter uns - und ist es auch noch! - daß er einfach als der Peter dazugehörte. Grüß dich, Peter, wenn Du dies in den Staaten liest!

 

So werkelten wir munter darauf los. Die Hauptstadt Hannover wunderte sich, daß sie Spenden für die Wasserkuppe annehmen sollte. Das Finanzamt Hannover wunderte sich, daß es für einen Verein zuständig sein sollte, der seinen Sitz (als Einziger!) auf der Wasserkuppe hat. Das Amtsgericht Gersfeld wunderte sich, daß es einen Verein eintragen sollte, der nirgendwo im Gersfeld Gerichtsbezirk ein Heim hatte. Und ich wunderte mich, daß so viele Kameraden begeistert Mitglied wurden, was mir als Vorturner eine Menge Arbeit brachte. Der Schatzmeister Manfred Hutschala - grüß dich auch, Manfred! - wunderte sich in Berlin, daß mancher begeisterte PVler mitunter das Bezahlen vergaß, der Drucker wunderte sich, daß wir unsere Rechnungen trotzdem pünktlich bezahlten. Wir waren schon ein wunderlicher Verein!

 

Nach 6 Dienstjahren legte ich dann den Vorsitz nieder, weil es an der Zeit war, den Stuhl zu räumen. Es ist nie gut, wenn jemand ein Amt zu lange verwaltet. Diese 6 Jahre gehören mit Sicherheit zu den turbulentesten in meinem Lebenslauf, aber auch zu den schönsten. Ich möchte an dieser Stelle jedem PV-Segelflieger nahelegen, auch einmal ein kleines Stück seines Lebensweges für die PV zu geben und sich im Vorstand zu engagieren. Die PV wird ihn dafür reichlich entschädigen, aber das wird er erst merken, wenn er sein Amt wieder abgegeben und Abstand von seiner Arbeit gewonnen hat. Eintagsfliegen, die lautstark alles besser machen wollen und schon kurz darauf die Flinte in das Korn werfen, meine ich damit nicht.

 

Wenn irgendjemand die Arbeit unseres jetzigen Vorstands abschätzen kann, dann bin ich das wohl. Und deshalb nehme ich mir die Freiheit, im Namen wohl aller PV-Mitglieder unseren Vorstandskameraden ein herzliches Dankeschön für die tägliche Kleinarbeit zu sagen und ihnen zuzurufen: Macht weiter so, damit unsere PV an der Schwelle ihres 2. Jahrzehnts gedeiht wie in den vergangenen zehn Jahren.

 

 

Dich aber, Freund, der du dies liest, bitte ich: greife hin und wieder zur Feder und schreibe einfach auf, was du erlebt hast oder was du gehört, erfahren, gesehen hast. Viele Hände bringen die Arbeit auch an unseren PV-Mitteilungen zu einem guten Ende, Wann lese ich etwas von Dir?